Icon Werkstatt für Kollegiale Führung
Werkstatt für kollegiale Führung
Ideen und Praktiken für die agile Organisation von morgen
Über den Beitrag
Verfassende Person
Picture of Claudia Schröder

Claudia Schröder

Systemische Organisations­entwicklerin, Beraterin, Trainerin und Coach mit über 15 Jahren Erfahrung als Unternehmerin und CFO.
Schlagwörter

Was Sie schon immer über Feed­back wis­sen woll­ten – Teil 4

Die­ser Blog-Bei­trag erschien zuerst auf Sys­tem-Ana­lyst.

In dem heu­ti­gen Blog möch­te ich die zwei­te Kom­mu­ni­ka­ti­ons-Tech­nik beschrei­ben, die Bestand­teil von Feed­back geben ist. Wie kann ich mich so aus­drü­cken, dass ich bei mir blei­be, ohne über­grif­fig auf mei­nen Gesprächs­part­ner zu wir­ken? Wenn ich Feed­back geben möch­te, ist das neben aktiv zuhö­ren der zwei­te wich­ti­ge Bestand­teil.

Ich- und Du-Bot­schaf­ten

Mei­ne Beob­ach­tun­gen, die ich ande­ren mit­tei­len möch­te, soll­ten so for­mu­liert sein, dass sie das situa­ti­ve Ver­hal­ten der Per­son prä­zi­se beschrei­ben. Denn Men­schen ver­hal­ten sich situa­tiv unter­schied­lich und nie gleich. So kön­nen wir davon aus­ge­hen, dass For­mu­lie­run­gen wie „Du bist immer so…“ schlicht weg nicht zutref­fen kön­nen. Im All­tags­ge­brauch sind uns sol­che Du-Bot­schaf­ten jedoch sehr bekannt und wir benut­zen sie häu­fig. Eine Per­son ist per se nicht, eine Per­son ver­hält sich je nach Kon­text und Tages­form situa­tiv unter­schied­lich.

Eine Rück­mel­dung wie „Du bist immer so…“ wäre eine Du-Bot­schaft, deren Wir­kung auf mei­nen Gesprächs­part­ner eher unan­ge­neh­me Gefüh­le erzeu­gen wür­de. Ich schrei­be mei­ne unre­flek­tier­ten Inter­pre­ta­tio­nen einer Per­son zu. Wer­den Du-Bot­schaf­ten aus­ge­spro­chen, kön­nen sie Wider­stand, Ver­let­zun­gen, Abwehr­hal­tung, Ärger, ungu­te Gefüh­le etc. beim Gegen­über ver­ur­sa­chen. Men­schen kön­nen sich durch sol­che For­mu­lie­run­gen ange­grif­fen, zu Unrecht beschul­digt, ver­letzt, beschämt, etc. füh­len und schnell in Ver­tei­di­gungs­hal­tung kom­men. Denn bei die­ser For­mu­lie­rung bin ich bei mei­nem Gegen­über und nicht mehr bei mir.
Die Wir­kung signa­li­siert „Ich bin ok, Du bist nicht ok!“ Wir erhe­ben uns über jeman­den. Auch ver­stär­ken Uni­ver­sal­quan­to­ren wie immer, oft, häu­fig, stän­dig, nur, etc. die­se Wir­kungs­wei­se. Sol­che Behaup­tun­gen und Zuschrei­bun­gen wir­ken gering­schät­zig. Wei­ter blei­ben sie unkon­kret, denn wir ver­hal­ten uns sehr viel­fäl­tig und nicht immer gleich.
Wir kön­nen nicht wis­sen, wel­che Grün­de für eine ande­re Per­son vor­lie­gen, sich in einer bestimm­ten Art zu ver­hal­ten, es sei denn wir unter­hal­ten uns dar­über in Form einer Meta­kom­mu­ni­ka­ti­on, um dies trans­pa­rent zu machen. Erst dann haben wir die Mög­lich­keit unse­re inne­ren Bil­der oder Annah­men zu über­prü­fen (dies kann bspw. mit akti­ven Zuhö­ren gut erfol­gen).

Mei­nes Erach­tens soll­ten wir Du-Bot­schaf­ten kom­plett aus unse­rem Sprach­ge­brauch strei­chen und nicht nur beim Feed­back geben dar­auf ach­ten ???? – übri­gens gelingt es uns allen nur mehr oder weni­ger. Ich beob­ach­te oft, dass Eltern mit ihren Kin­dern sehr häu­fig in Du-Bot­schaf­ten spre­chen.

Wie mache ich das nun, dass wir zu einem Aus­tausch auf Augen­hö­he kom­men kön­nen? Dazu sind soge­nann­te Ich-Bot­schaf­ten unab­ding­bar.

Ich-Bot­schaf­ten benen­nen ein Ver­hal­ten kon­kret und prä­zi­se und beschrei­ben des­sen Wir­kung auf mich. Dabei mache ich deut­lich, was ich sub­jek­tiv beob­ach­tet habe (Sach­aspekt – was, wie) und benen­ne die Aus­wir­kung auf mich (Bezie­hungs­aspekt – war­um).

Sie erzeu­gen bei dem Gegen­über eher Nach­denk­lich­keit und Bereit­schaft in den Dia­log zu gehen. Bei der For­mu­lie­rung blei­be ich bei mir und ver­mei­de unge­prüf­te Zuschrei­bun­gen. Ich erhe­be mich nicht über jemand, son­dern kom­mu­ni­zie­re klar und kon­gru­ent auf Augen­hö­he. Es geht dabei nicht dar­um ellen­lan­ge oder auch ver­schwur­bel­te Sät­ze zu for­mu­lie­ren oder Sach­ver­hal­te weich zu spü­len.

Bei­spiel

Situa­ti­on: Wir haben in unse­rem Team regel­mä­ßi­ge Dai­ly Stan­dups ver­ein­bart. Im letz­ten Stan­dup kam Kol­le­ge A 15 Minu­ten zu spät. Im heu­ti­gen Dai­ly Stan­dup kommt Kol­le­ge A eben­falls 15 Minu­ten zu spät. Das ist der Sach­ver­halt, der beob­acht­bar war. Die Grün­de hier­für ken­ne ich erst mal nicht, es sei denn, Kol­le­ge A hat sie aus­ge­spro­chen. Was in die­sem Bei­spiel nicht gesche­hen ist.

Eine Du-Bot­schaft könn­te nun lau­ten:

„Stän­dig kommst Du zu spät!“ oder „Immer kommst Du stän­dig zu spät!“

Ver­su­chen Sie sich nun ein­mal die Rol­le von A zu bege­ben und schau­en Sie, wie so eine For­mu­lie­rung auf Sie wir­ken wür­de, wenn Sie als A mor­gens 15 Minu­ten spä­ter dazu­kä­men? Was bewirkt in Bezug auf Ihre Inte­gri­tät, Ihre Moti­va­ti­on, Ihren Ener­gie-Haus­halt, etc.?

Eine Ich-Bot­schaft könn­te wie folgt sein:

„Ich sehe, dass Du heu­te zum 2. Mal 15 Minu­ten spä­ter zu unse­rem Dai­ly Stan­dup kommst. Letz­te Woche kamst Du eben­falls 15 Minu­ten spä­ter (Sach­ebe­ne, Beschrei­bung was ich gese­hen, beob­ach­tet habe). Ich mer­ke bei mir, dass mich das stört, ärgert, irri­tiert, auf­hält, hemmt, da ich unter Zeit­druck ste­he. (Bezie­hungs­ebe­ne: wie wirkt sich die­ses Ver­hal­ten sub­jek­tiv auf mich uns unse­re Bezie­hungs­ebe­ne aus).“

Im Nach­gang könn­ten Sie nun bei­spiels­wei­se eine Fra­ge noch anhän­gen. Bspw. „Was ist der Grund dafür?“ oder „Wie kommt das?“ und in einen Dia­log mit dem Ande­ren gehen.

Mer­ke: Wir kön­nen Du- und Ich-Bot­schaf­ten nicht dar­an unter­schei­den, ob der Satz mit dem jewei­li­gen Per­so­nal­pro­no­men anfängt oder nicht! Wir kön­nen sie jedoch über die Wir­kung erken­nen. Lösen sie Wider­wil­len und unan­ge­neh­me Gefüh­le aus oder nicht?

  • „Ich sehe, Du bist so…“ wäre eben­falls eine Du-Bot­schaft.
  • „Ich sehe, Du kommst heu­te 15 Minu­ten spä­ter…“ wäre eine Ich-Bot­schaft, die mei­ne Beob­ach­tung beschreibt.

Übung – Notie­ren Sie kurz und knapp:

  • Wel­che Du-Bot­schaft hören Sie in Ihrem Arbeits­um­feld, in Ihrer Fami­lie, in Ihrem Umfeld?“
  • Wel­che Du-Bot­schaf­ten ver­wen­den Sie häu­fig unbe­wusst im Arbeits­kon­text oder auch im Fami­li­en­kon­text?“

Ver­su­chen Sie nun, die­se Du-Bot­schaf­ten in Ich-Bot­schaf­ten umzu­for­mu­lie­ren. Bezie­hen Sie sich zuerst auf die Sach­ebe­ne, was sind die Fak­ten:

  • Was genau haben Sie beob­ach­tet, dass Sie zu solch einer Du-Bot­schaft ver­an­lasst?
  • Ver­su­chen Sie die Situa­ti­on so kon­kret zu erfas­sen? Was ist pas­siert? Was genau hat Ihr Gegen­über getan oder auch nicht getan?
  • Wann genau haben Sie das beob­ach­tet?
  • Ist es das ers­te Mal?

Nun bege­ben Sie sich auf die Bezie­hungs­ebe­ne.

  • Was löst dies bei Ihnen aus?
  • Was macht das mit Ihnen?
  • Was neh­men Sie ggf. kör­per­lich bei sich wahr?
  • Wie fühl­ten Sie sich vor­her und wie fühl­ten Sie sich im Anschluss an das beob­acht­ba­re Ver­hal­ten?
  • Wie kön­nen Sie das grif­fig für sich aus­drü­cken.

Wie alles im Leben, ist die Ver­än­de­rung unse­res Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ver­hal­tens erlern­bar und ent­steht durch ste­ti­ges Üben. Mit jeder wei­te­ren neu­en Anwen­dung von Ich-Bot­schaf­ten, ver­ler­nen wir alte Du-Bot­schaf­ten, bis neue kon­kre­te­re und wert­schät­zen­de­re For­mu­lie­run­gen irgend­wann in unser all­täg­li­ches Han­deln über­ge­hen.
Anfangs hilft es, sich Zeit zu neh­men und zu über­le­gen, wor­um es uns eigent­lich wirk­lich in sol­chen Situa­tio­nen, die uns unbe­wusst zu Du-Bot­schaf­ten grei­fen las­sen, geht und kurz zu notie­ren, wel­che ein­zel­ne kon­kre­te Situa­ti­on wir benen­nen wol­len und was die­se mit uns gemacht hat. Dazu ist eine Por­ti­on Mut und Offen­heit (auch zu sich selbst) erfor­der­lich.

Je kon­kre­ter wir uns aus­drü­cken, des­to eher kann sich unser Gesprächs­part­ner an die jewei­li­ge Situa­ti­on erin­nern und sich in den Kon­text zurück­ver­set­zen. Wir begin­nen dadurch auf Augen­hö­he mit ein­an­der zu reden und ver­mei­den es, über­ein­an­der zu reden.

Nun haben Sie bei­de wich­ti­gen Tech­ni­ken für den Ablauf eines kon­struk­ti­ven Feed­backs zu För­de­rung gelernt! Wie wir bei­des nun zu einem wirk­sa­men Feed­back anwen­den kön­nen, beschrei­be ich in mei­nem nächs­ten und letz­ten Blog die­ser Serie.

Bis dahin viel Spaß bei Anwen­den und Aus­pro­bie­ren! Und wer in der Grup­pe üben möch­te, schaut ger­ne in unse­rem öffent­li­chen Work­shop Das Ein­mal Vier für eine kol­le­gia­le Kom­mu­ni­ka­ti­ons­kul­tur vor­bei.

Herz­li­che Grü­ße

Clau­dia Schrö­der

Dieser Beitrag steht unter der Lizenz Creative Commons „Namensnennung 4.0“. Sie dürfen diesen Beitrag gerne für Ihre eigenen Zwecke verwenden, auch in einem kommerziellen Kontext, auch im Wettbewerb zu uns, solange Sie die oben genannte verfassende Person sowie die Bezugsquelle "Werkstatt für Kollegiale Führung  (https://kollegiale-fuehrung.de/)" nennen.