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Ideen und Praktiken für die agile Organisation von morgen
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Bernd Oestereich Claudia Schröder

Claudia Schröder und Bernd Oestereich verstehen sich als Unternehmerinnen und Pionierinnen für kollegial geführte Organisationen, die nach Erfahrungen in eigenen Unternehmen viele andere Unternehmerinnen und Unternehmer mit ihrem Wissen inspirieren konnten.
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Blog­se­rie Bau­stei­ne agi­ler OE (Teil 4): Dia­lo­gi­sche Pro­zess­ent­wick­lung

Nach­dem wir im letz­ten (drit­ten) Teil die­ser Blog­se­rie über das Sog­prin­zip (Pull-Prin­zip) geschrie­ben hat­ten, ver­tie­fen wir hier den Pro­zess des Ver­ant­wor­tungs­über­gan­ges vom Prin­zip Füh­rungs­kraft zum neu­en Prin­zip Füh­rungs­ar­beit. Im Rah­men einer kol­le­gi­al geführ­ten Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung zie­hen sich Kol­le­gin­nen schritt­wei­se Ver­ant­wor­tungs­be­rei­che. Damit dies gut funk­tio­niert, brau­chen alle Betei­lig­ten einer­seits Klar­heit, wer für was ver­ant­wort­lich ist und zum ande­ren einen ver­trau­ens­bil­den­den Pro­zess für den Wech­sel von Ver­ant­wor­tung vom alten ins neue Füh­rungs­sys­tem.

Ein wich­ti­ges Werk­zeug ist dabei die Dele­ga­ti­ons­ma­trix (sie­he Abbil­dung). In die­ser wer­den ver­schie­de­ne Ver­ant­wor­tungs­be­rei­che genannt und in Spal­ten mar­kiert, ob die Geschäftsführung/Führungskraft die Ver­ant­wor­tung behält oder ob die Kol­le­gen­schaft dies über­neh­men kann. Außer­dem wer­den even­tu­el­le Beson­der­hei­ten (Dele­ga­ti­on an bestimm­te Kreise/Rollen, Infor­ma­ti­ons- und Kon­sul­ta­ti­ons­an­for­de­run­gen, Veto­mög­lich­kei­ten etc.) benannt.

Obwohl wir einer­seits Zustän­dig­kei­ten und Ver­ant­wor­tungs­be­rei­che klar benen­nen und sicht­bar machen möch­ten, geht es eben­so stets dar­um, dass die invol­vier­ten und betrof­fe­nen Per­so­nen in einer ver­trau­ens­vol­len und belast­ba­ren Arbeits­be­zie­hung ste­hen.

Jede Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lungs­maß­nah­me hat mehr oder weni­ger Aus­wir­kun­gen auf die Arbeit eini­ger, manch­mal auch sehr vie­ler Kol­le­gin­nen. Wenn Zustän­dig­kei­ten und Abläu­fe ver­än­dert wer­den, geben eini­ge Kol­le­gen Ver­ant­wor­tung oder Auf­ga­ben ab und ande­re über­neh­men sie. Eini­ge Kol­le­gen wer­den ermäch­tigt oder mit beson­de­ren Ent­schei­dun­gen beauf­tragt. Die­se Über­ga­ben und Ermäch­ti­gun­gen möch­ten wir als dia­lo­gi­schen Pro­zess ver­ste­hen, der durch unter­schied­li­che und meist mode­rier­te Kom­mu­ni­ka­ti­ons­for­ma­te gestal­tet wird, bei­spiels­wei­se ori­en­tiert an der abge­bil­de­ten Kon­text­brü­cke.

Die for­ma­le Über­ga­be und Ver­än­de­rung von Ver­ant­wor­tung kann schnell umsetz­bar sein, auf der sozia­len Ebe­ne bedarf es meis­tens eines gegen­sei­ti­gen Ver­trau­ens. Wer Ver­ant­wor­tung neu über­nimmt oder etwas Neu­es aus­pro­biert, bekommt einen Ver­trau­ens­vor­schuss der Kol­le­gin­nen oder bis­he­ri­gen Ver­ant­wort­li­chen. Die neu­en Hand­lun­gen der Per­son wer­den von den ande­ren beob­ach­tet und die Ver­trau­ens­wür­dig­keit wird geprüft und bewer­tet: Wird die Per­son der Auf­ga­be gerecht? Macht sie es aus­rei­chend gut? Wie kön­nen wir sie gut unter­stüt­zen?

Eben­so kann sich auch die ver­ant­wort­li­che Per­son sol­che Fra­gen stel­len: Was brau­che ich noch? Wie bewer­ten die ande­ren mei­ne Arbeit? Bin ich selbst zufrie­den?

Je bes­ser alle Betei­lig­ten in Kon­takt ste­hen und sich über sol­che Fra­gen aus­tau­schen, ihre Erwar­tun­gen klä­ren, fall­be­zo­gen Feed­back geben und even­tu­el­le Span­nun­gen iden­ti­fi­zie­ren des­to ein­fa­cher und auch schnel­ler kann die Ver­än­de­rung gelin­gen.

Da wir Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung nicht mehr als gro­ße Pro­jek­te begrei­fen, son­dern als einen ste­ti­gen Fluss klei­ner ele­men­ta­rer Erpro­bun­gen, sind die Erwar­tun­gen, Zuschrei­bun­gen und Ver­ant­wort­lich­kei­ten weni­ger dif­fus und kön­nen sich auf ein­zel­ne oder zumin­dest sehr weni­ge Per­so­nen bezie­hen.

Ermäch­ti­gen­de Ent­wick­lung

Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on wird immer noch mit dem Vor­ur­teil kon­fron­tiert, zu völ­lig inef­fi­zi­en­ten und auf­rei­ben­den End­los­dis­kus­sio­nen zu füh­ren. Mehr­heits­ent­schei­dun­gen ste­hen im Ruf, Mit­tel­maß zu pro­du­zie­ren.

Des­we­gen gilt das Prin­zip, mög­lichst kei­ne inhalt­li­chen Ent­schei­dun­gen in Teams oder Grup­pen zu tref­fen, son­dern statt­des­sen die Per­son oder Per­so­nen zu bestim­men, die dann über die Inhal­te ent­schei­den.

Selbst­er­mäch­ti­gung ist ver­tret­bar, wenn die selbst­er­mäch­tig­ten Hand­lun­gen in klei­nen und gut ver­kraft­ba­ren Schrit­ten erfol­gen und die Hand­lun­gen und Ergeb­nis­se sys­te­ma­tisch reflek­tiert wer­den, um gemein­sam dar­aus zu ler­nen. Selbst­er­mäch­ti­gung beginnt mit Mut und einem Ver­trau­ens­vor­schuss. Die Grö­ße des Ver­trau­en­schus­ses bestimmt die Grö­ße der selbst­er­mäch­tig­ten Schrit­te. Der gemein­sa­me Lern­pro­zess bestä­tigt in der Regel den Vor­schuss und schafft so sys­te­ma­tisch neu­es Ver­trau­en.

Je siche­rer die Betei­lig­ten sich ihrer gemein­sa­men Wer­te und Prin­zi­pi­en sind, des­to belast­ba­rer und muti­ger wird die Selbst­er­mäch­ti­gung sein.

Vor­aus­set­zung ist dafür eine ech­te Eigen­ver­ant­wort­lich­keit. Das heißt, die selb­stän­dig han­deln­den Per­so­nen müs­sen auch unmit­tel­bar die Kon­se­quen­zen ihres Han­delns spü­ren kön­nen. Wenn jemand bei­spiels­wei­se einen neu­en Kol­le­gen ein­stellt oder eine neue Maschi­ne kauft, dann soll­te er auch selbst mit dem neu­en Kol­le­gen zusam­men­ar­bei­ten müs­sen oder die Maschi­ne selbst benut­zen müs­sen.

Die Kon­text­brü­cke ist das Bin­de­glied zwi­schen der Dele­ga­ti­ons­ma­trix und dem (im drit­ten Teil der Blog­se­rie dar­ge­stell­ten) Füh­rungs­mo­ni­tor (Team-Board).

Aus­blick

Im nächs­ten Teil der Blog­se­rie wird es um die äuße­re und inne­re Pro­zess- und Struk­tur­si­cher­heit gehen.

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