Am 7. + 8. April 2016 fand in Hamburg in den Räumen der GLS-Bank das Corporate Culture Camp statt. Das Bacamp mit 30 – 40 Teilnehmern war klassisch als Open Space mit je drei parallelen Sessions im Zeitraster von je einer Stunde organisiert. In diesem Beitrag möchte ich ein paar Impressionen wiedergeben und von den Barcamp-Inhalten berichten, die ich mitbekommen habe.
Zu Beginn sind wir der Frage nachgegangen, was eigentlich Kultur ist. Als erste wichtige Unterscheidung wurde Verhaltenskultur vs. Wertekultur genannt, wie sie bspw. auch Gerhard Wohland in seinem Denkwerkzeuge-Buch beschreibt. Mit Verhaltenskultur ist die Beeinflussung von Verhalten durch Anweisungen gemeint, was funktionierende Möglichkeiten zur Belohnung und Bestrafung voraussetzt. Die Befolgung von Regeln und Anweisungen ist in stabilen und kausalen Kontexten hilfreich.
Für komplexere Anforderungen benötigen Unternehmen jedoch eine Wertekultur, bei der Verhalten der Mitarbeiter aus deren eigenen Werten und dem Wertekontext der Organisation resultiert. Hier geht es um die Verbindung von Verhalten und Werten – allerdings in komplexer, nicht-kausaler Weise: wir können vom Verhalten nicht sicher auf die Werte schließen und umgekehrt auch nicht, sondern lediglich darüber spekulieren.
Solche systemtheoretischen Modelle, auch der Name Luhmann fiel natürlich, waren vielen Teilnehmer wenig bekannt und stießen auf mäßiges Interesse. Eine Reihe von Beiträgen näherten sich dem Thema Unternehmenskultur entsprechend aus einer quantifizierenden und kausal-rationalen Perspektive. Dazu gehörten Fragen zur Nutzenbewertung, um Investitionen in Kultur zu argumentieren. Aber auch solche, um kulturelle Zustände und Veränderungen vergleichbar oder objektiv bewertbar und messbar zu machen. Das Thema „Employer Branding“ wurde intensiv dargestellt und ein wenig kritisch als Mogelpackung diskutiert. Dieses Thema spitzte die Unterscheidung von Verhaltens- und Wertekultur in dem Sinne zu, dass aus den jeweiligen Perspektiven aneinander vorbei geredet oder wenig verstanden wurde. Was die einen sich wünschten oder für gestaltbar hielten, waren aus Sicht anderer manchmal schon die falschen Fragen. Auch aus meiner Sicht ist (Werte-)Kultur nicht direkt gestaltbar, sondern allenfalls beobachtbar. Kultur verstehe ich als „den Schatten einer Organisation“, der experimentell und zirkulär, vor allem über Änderungen am Kontext und an Rahmenbedingungen, aber eben kaum kausal gestaltbar ist.
Storytelling, Mentoring, Vorbildsein und weitere beispielhafte Praktiken aus gesund und schnell wachsenden Unternehmen wurden diskutiert, um Kultur weiter zu geben und zu stärken. Einige Teilnehmer gewährten auch Einblicke in ihre Unternehmen zu konkreten Aspekten, bspw. zum Team-Recruiting. Berichte über die Möglichkeiten und Unternehmensrealitäten von kollegial-selbstgeführten Unternehmen lösten immer noch tiefe Zweifel oder ungläubiges Staunen bei einigen TeilnehmerInnen aus.
Insgesamt war der Berateranteil gefühlt etwas hoch, eine Reihe von Beiträgen erschienen mir etwas zu selbstdarstellerisch oder produktbezogen, so dass ich die Sessions gar nicht erst besucht habe. Gefallen hat mir die große Vielfalt an vertretenen Branchen, Fachdisziplinen, Erfahrenheit, Rollen und regionaler Herkunft sowie die große Offenheit der Teilnehmer. Die Sessions mit der jeweils größten Teilnehmerzahl wurden von Tanja Wehr (Sketchnotelovers) simultan visuell protokolliert. Insgesamt fand ich die Veranstaltung sehr gelungen, inspirierend, empfehlenswert und freue mich auf eine mögliche Fortsetzung im nächsten Jahr. Vielen Dank an die InitiatorInnen!
Bernd Oestereich