Das Adaptionsmodell
Für die Einführung agiler Organisationsentwicklungsprinzipien haben wir in den letzten Jahren verschiedene Vorgehensweisen ausprobiert und deren Unterschiede erfahren. Beispielsweise haben wir die Überforderungen und negativen Nebenwirkungen kennengelernt, die aus einer schlagartigen organisationsweiten Umstellung der Grundprinzipien resultieren können. Oder aus zu unspezifischen Rahmenbedingungen und zu großer Selbstüberlassung.
Aus diesen Erfahrungen heraus haben wir das hier beschriebene Modell entwickelt, dessen erste Version in dem Buch „Das kollegial geführte Unternehmen“ erschien.
Begrifflichkeit und Zweck
Zu Beginn hatten wir es Übergangsmodell genannt (und entsprechend auch vom Übergangsteam und Ähnlichem gesprochen), was eine passende Bezeichnung ist, wenn man ein bestehendes Organisations- und Führungsmodell komplett durch ein neues ablösen möchte – was damit auch weiterhin möglich ist.
Die praktische Begleitung von Organisationen hat uns dann aber gelehrt, dass ein kompletter Wechsel oft nicht notwendig oder sinnvoll ist, sondern es vielmehr um die langfristige oder gar dauerhafte Koexistenz von verschiedenen Organisations- und Führungsmodellen geht.
Außerdem suggeriert der Begriff Übergang, dass es ein klares Ziel gibt, mit dessen Erreichung der Übergang abgeschlossen ist. Die Motivation zu agiler Organisationsentwicklung liegt ja aber gerade darin,
- sowohl die generelle Anpassungsfähigkeit (Agilität) einer Organisation zu erhöhen
- als auch einen ergebnisoffenen Prozess zu ermöglichen und nicht einen bestimmten oder gar vorgeplanten neuen Zustand zu erreichen.
Adaption (lateinisch „adaptare“) bedeutet anpassen und deswegen sprechen wir mittlerweile vom Anpassungs- oder Adaptionsmodell.
Generisches Metamodell
Dieses Modell ist zudem auch ein Metamodell: Es beschreibt nicht die Anpassung an bestimmte neue Anforderungen, sondern generische Prozesse und Strukturen, um alle möglichen Anpassungen zu unterstützen. Der Weg ist hier das Ziel.
Dabei sind die Prozess- und Strukturelemente (beispielsweise Führungsmonitor, Kreiskonstitution, Entscheidungsverfahren) unseres Metamodells selbst weitgehend konkret. Während wir auf der operativen und organisatorischen Ebene kaum konkrete Vorschläge haben, basiert die Metaebene auf einer Reihe von guten und bewährten Praktiken und Werkzeugen, beispielsweise zur Entscheidungsfindung.
Eine hochauflösende Version der Grafik finden Sie hier: PNG | PDF
Modell – nicht Anleitung: Wie jedes Modell, so ist auch das hier beschriebene Modell eine Reduktion auf ausgewählte idealtypische Aspekte. Wir verstehen unser Adaptionsmodell als innere Landkarte und grobes Orientierungsmodell. Es ist weniger eine Anleitung, sondern individuell zu reflektieren und zu konkretisieren. Nichtsdestotrotz haben wir tatsächlich Organisationen begleitet, deren Vorgehen dem Modell sehr nahekamen.
Wichtiger als die Phasen und zeitlichen Aspekte sind die in dem Modell adressierten Grundprinzipien, die die wichtigsten unserer bisherigen praktischen Erfahrungen berücksichtigen:
- Die Vorbereitung beginnt mit der Klärung der Motivation und (Meta-)Ziele des Vorhabens bei der obersten Führungsebene der betroffenen Organisation(seinheit).
- Ebenfalls noch vorbereitend ist die Klärung, welche Rahmenbedingungen und Grenzen für die agile Organisationsentwicklung gelten, also was gestaltbar ist und was nicht.
Danach gelten die Grundprinzipien,
- in dialogischer Weise schrittweise und empirisch rückgekoppelt neue Führungs- und Organisationsprinzipien einzuführen,
- also die alte und die neue Welt eine Zeit lang oder gar dauerhaft parallel existieren zu lassen,
- dabei allen Beteiligten Klarheit darüber zu ermöglichen, wo welche Spielregeln gelten,
- von Anfang an das Sogprinzip zu etablieren
- und systematische Selbstbeobachtung und organisationales Lernen zu üben.